Patzelt und Landau fordern Öffnung des österreichischen Arbeitsmarkts für AsylwerberInnen und Solidaritätspakt für Flüchtlinge in Europa.
Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, und Caritas Präsident Michael Landau verwiesen heute bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien anlässlich des diesjährigen Weltflüchtlingstages auf Missstände im österreichischen und im europäischen Asylwesen und forderten menschenrechtskonforme Lösungen ein. Seit Jahresbeginn sind nach offiziellen Schätzungen mehr als 50.000 Flüchtlinge auf dem Seeweg nach Italien gekommen. Gleichzeitig sind in den vergangenen 25 Jahren knapp 20.000 Menschen bei dem Versuch, den europäischen Kontinent zu erreichen, im Mittelmeer ertrunken. „Diese Menschen fliehen vor Dürre und Hunger, vor Krieg und Tod. Und Europa? Europa flieht vor seiner Verantwortung. Mit der derzeitigen Asylpolitik schaufeln sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vor den Küsten Italiens, Griechenlands und Maltas ihr eigenes Grab. Und mit jedem Toten wird dieses Grab tiefer“, betonte Landau. „Klar ist: Wir brauchen in der Flüchtlingspolitik mehr Europa – mehr vergleichbare Standards und mehr Solidarität unter den Mitgliedsstaaten. Dabei darf es zu keiner Nivellierung nach unten kommen. Österreich kann und muss hier mehr Verantwortung wahrnehmen!“
Patzelt ergänzte: „Wenn die EU-Staaten opportunistisch wegschauen, anstatt all ihre Möglichkeiten zu nützen, um Hilfe anzubieten, machen sie sich mitschuldig an dem Tod tausender Flüchtlinge. Bootsunglücke und ertrinkende Menschen sind erschreckend alltäglich geworden.“ Amnesty International fordert die EU-Staaten auf, den Fokus auf Such- und Rettungsaktionen für in Seenot geratene Flüchtlingsboote zu legen, anstatt die Grenzsicherung der Festung Europa zu forcieren. „Mit seiner Mare-Nostrum-Mission zeigte Italien auf beeindruckende Weise, wie man Dinge auch richtig machen kann. Umso schlimmer, dass das Programm droht, eingestellt zu werden“, sagt Patzelt. Landau stellt klar: „Diese Form der Asylpolitik kommt einer Bankrotterklärung der Menschlichkeit gleich.“ Caritas und Amnesty International benannten auch konkrete Lösungsansätze, die dabei helfen sollen, zentrale Baustellen im heimischen und europäischen Asylwesen zu beheben.
„Gemeinsame Pflichten der EU-Staaten: Verbindliche Aufgaben statt zögerlichem Wohlwollen“
Im Artikel 80 des EU-Vertrags findet sich der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten. „Die EU hat klare Regeln des Zusammenhalts und der Unterstützung. Diese nicht auch in menschenrechtlichen Krisen zu nützen ist verantwortungslos“, sagt Patzelt. Amnesty International und Caritas fordern einen wirksamen Mechanismus, der eine finanzielle, technische und praktische Kooperation der Mitgliedstaaten sicherstellt. Am Beispiel eines Such- und Rettungseinsatzes auf Hoher See, wie des Mare Nostrum-Programms, würde das bedeuten, dass von den Mitgliedsstaaten nach klaren Richtlinien Gerät, technisches Wissen, finanzielle Mittel, Personal oder die Zusicherung für Aufnahmeplätze geretteter Migranten und Flüchtlinge bereitgestellt werden müssen und sie so ihrer gemeinsamen Verantwortung nachkommen.
„Geteilte Verantwortung in Europas Asylpolitik! Das Dublin-System ist gescheitert“
Landau und Patzelt erklärten das Dublin-System – also jene Regelung, wonach Menschen in jenem europäischen Land um Asyl ansuchen müssen, das sie zuerst betreten – für gescheitert. Länder an den Außengrenzen Europas sind überfordert, Flüchtlinge werden sich selbst überlassen und ganze Asylsysteme brechen zusammen. „Das EU-Asylsystem, dessen Kern das Verschieben von Menschen ist, ist längst zusammengebrochen. Dublin ist tot“, so Landau. Amnesty International fordert von den Mitgliedstaaten die Übernahme von Menschen, die in Erstaufnahmeländern internationalen Schutz erhalten oder beantragt haben, insbesondere jene mit Familienanschluss in einem EU-Land. Patzelt betont: „„Das Dublin System muss grundlegend neu und transparent strukturiert werden und alle Mitgliedsstaaten müssen endlich ihrer Veranwortung nachkommen.“
„Entwicklungszusammenarbeit: Ein Armutszeugnis für die Republik“
Die Caritas fordert darüber hinaus, dass die für 2015 vorgesehene 17 Millionen-Euro Kürzung im Bereich der direkten bilateralen Projekthilfe zurückgenommen wird. Zudem müssen gemäß Regierungsprogramm die gesamten Entwicklungshilfe-Mittel längerfristig auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden. Derzeit stehen wir bei 0,28 Prozent. „Diese Kürzung ist ein Armutszeugnis für die Republik“, so Landau und Patzelt meint: „Es ist zynisch, die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit zu streichen und gleichzeitig die Grenzzäune Europa zu erhöhen.“
„Österreich muss den Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen öffnen“
Mit Blick auf die Situation von AsylwerberInnen in Österreich, betonten die NGO-Vertreter : „Der Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen muss nach sechs Monaten legalem Aufenthalt endlich geöffnet werden! Noch immer wird diesen Menschen in Österreich der Zugang zum Arbeitsmarkt faktisch versperrt und somit die Möglichkeit eines selbstbestimmten menschenwürdiges Lebens verwehrt.“ Mit dem sogenannten Bartenstein-Erlass aus dem Jahr 2004 hat die Politik AsylwerberInnen mit einem De Facto-Jobverbot belegt. Sie werden bei der Arbeitssuche vom AMS nicht unterstützt und dürfen nur als SexarbeiterInnen, Saisoniers in der Gastronomie oder in der Landwirtschaft tätig sein. Landau: „Will sich Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren ersparen, sollte die Bundesregierung die im Juni 2013 neu gefasste EU-Aufnahme-Richtlinie rasch umsetzen. Der Bartenstein-Erlass gehört ersatzlos gestrichen. Besser heute als morgen.“