Emotionale Diskussion beim letzten Abend von „ZusammenReden“ in Gloggnitz
Die ersten MigrantInnen kamen als „Gastarbeiter“ nach Österreich und definierten sich auch selbst so. Heute geht es jedoch nicht mehr um „Gastarbeiter“, sondern um Chancengleichheit für die Nachkommen der ehemaligen ArbeitsmigrantInnen und die Integration von neu hinzugekommenen Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Knapp 30 BesucherInnen verfolgten am 8. November in Gloggnitz den letzten von vier Diskussionsabenden der Gloggnitzer Integrationsgespräche. Thema der Veranstaltung, die von der Caritas Wien (Asyl & Integration NÖ) gemeinsam mit der Gemeinde Gloggnitz organisiert und vom Land NÖ, dem BM für Inneres und dem Europäischen Integrationsfonds gefördert wird, lautete „Arbeit und Integration“. Im Rennermuseum in Gloggnitz diskutierte Hikmet Arslan (CeSIP, Zentrum für Sozial- und Integrationsprojekte) gemeinsam mit Dragan Perak (Trainer beim AMS Projekt MigIn) und Volkswirtschafterin Bettina Haidinger (Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt). Gekonnt moderiert wurde der spannende Abend von Caritas-Mitarbeiterin Birgit Kögler.
Arslan erzählte zu Beginn des Abends von seinem persönlichen Werdegang. „Für mich war es wie ein Sprung in eine andere Welt, als ich 1989 nach Österreich gekommen bin. Mein Großvater und Vater waren Gastarbeiter der ersten und zweiten Generation. Sie waren zum Arbeiten da. So etwas wie Deutschkurse hat es damals nicht gegeben.“ Versäumnisse der damaligen Politik, wie er klar sagte. Perak, der als Berater für serbokroatisch sprechende Frauen tätig ist, kam auf die gegenwärtige Situation am Arbeitsmarkt zu reden. „Besonders Frauen mit Migrationshintergrund haben große Schwierigkeiten, sich am Arbeitsmarkt zu integrieren. Für uns als Berater ist es besonders wichtig, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und Potentiale zu erkennen.“ Haidinger sprach die wissenschaftliche Ebene der Diskussion an. „Fakt ist: Viele MigrantInnen arbeiten in Berufen am unteren Ende der Hierarchie. Als Hilfsarbeiter beispielsweise.“ Gründe dafür sieht sie zum einen in der Ausbildung – beziehungsweise darin, dass Ausbildungen in Österreich nicht anerkannt werden – und zum anderen in der Diskriminierung vieler Menschen mit Migrationshintergrund. Sie stellte die Frage in den Raum: „Warum soll ich nicht jeden Beruf ausüben können, nur weil ich ein Kopftuch trage?“
Die zum Teil sehr emotional geführte Publikumsdebatte kam auf die Rot-Weiß-Rot Card zu sprechen, die seit 1. Juli 2011 in Kraft ist und als Grundlage eines kriteriengeleiteten Zuwanderungssystems in Österreich dienen soll. „Wie ist ihre Meinung dazu?“, lautete die Frage einer Besucherin. „Ich finde, das wirft eine große Diskrepanz auf“, so Haidinger. „Einerseits werben wir hochqualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland an, andererseits gibt es unheimlich viele kurzfristig Beschäftigte, die in niederqualifizierten Tätigkeiten beschäftigt sind.“ Auch Arslan zeigte sich skeptisch. „Wenn, dann muss solch eine Regelung Qualität haben. Mit der momentanen Situation bin ich noch nicht zufrieden.“ Hitzig wurde die Diskussion, als es um die Ausbildung von Jugendlichen in Lehrberufen ging. Ein Besucher dazu: „Die heutige Jugend hat kein Durchhaltevermögen mehr. Deshalb landen sie in der sozialen Hängematte. Entweder sie haben keine Ausbildung oder sie wollen nicht.“ „Das trifft aber nicht nur auf Jugendliche mit Migrationshintergrund zu“, gab eine andere Besucherin zurück. Haidinger machte darauf aufmerksam, dass dies auch an den mangelnden Qualitätskriterien für die Lehrlingsausbildung liegen könnte: „Lehrlinge haben auch das Recht auf eine gute Ausbildung.“ Perak plädierte zudem für mehr Vernetzung unter den Beratungsstellen, um den Bedürfnissen der KlientInnen gerecht zu werden.
Rund 150 GloggnitzerInnen verfolgten die Integrationsgespräche und machten die Veranstaltungsreihe damit zu einem vollen Erfolg. Auf dem Programm standen Diskussionen zu den Themen Vielfalt als Chance, Sprache und Bildung sowie Arbeit und Integration. Auch die Auftaktveranstaltung mit einer Lesung der preisgekrönten Autorin Seher Çakır, Musik, Tanz und einer Ausstellung des Gloggnitzer Künstlers Haydar Celik, fand großes Interesse.
Alle Informationen zur Veranstaltungsreihe finden Sie unter: www.zusammenreden.net.