Spannende Diskussion und rege Publikumsbeteiligung beim dritten Themenabend von „ZusammenReden“ in Traiskirchen
Das Thema Religion hat sich in den letzten Jahren zu einem Dreh- und Angelpunkt in vielen Migrations- und Integrationsdebatten entwickelt. Rund 50 BesucherInnen verfolgten am 19. Oktober gespannt den dritten von vier Themenabenden der Traiskirchner Integrationsgespräche, die von der Caritas Wien (Asyl & Integration NÖ) gemeinsam mit der Gemeinde Traiskirchen organisiert und vom Land NÖ, dem BM für Inneres und dem Europäischen Integrationsfonds gefördert werden. Im Festsaal der Stadtgemeinde Traiskirchen diskutierte Fabian Vordermayer (katholischer Pfarrer von Traiskirchen) gemeinsam mit Christine Hubka (ehem. evangelische Pfarrerin von Traiskirchen und heute Gefängnisseelsorgerin) und Soma Ahmad (Forum Emanzipatorischer Islam). Moderiert wurde der Abend von Thomas Schmidinger (Politikwissenschaftler Universität Wien).
„Ist Religion tatsächlich integrationsrelevant?“, wollte Schmidinger zu Beginn der Diskussion wissen. „Religion kann zwar trennend sein“, so Hubka, die in ihrer Kindheit gemeinsam mit dem späteren Oberrabbiner Eisenberg als „Akatholiken“ in der Klasse Diskriminierung erfuhr, „aber auch sehr verbindend, wenn man aufhört, den anderen als Ungläubigen zu betrachten.“ Dem konnte Ahmad nicht völlig zustimmen. „Ich habe einen positiven Bezug zur Religion, aber aus meiner biografischen Erfahrung heraus kann ich nur sagen, dass ich Religion immer als etwas sehr Trennendes empfunden habe. Deshalb sollte Religion nicht zur Integrationsfrage gemacht werden.“ Weiters wies Ahmad, die als Kind auf der Flucht von Saddam Husseins Truppen im Zweiten Golfkrieg im Flüchtlingslager Traiskirchen landete, auf die Gefahr der Instrumentalisierung von Religion durch reaktionäre Kräfte – auf allen Seiten – hin. Pfarrer Vordermayer protestierte: „Für mich ist es die wichtigste Aufgabe von Religion, andere zu integrieren.“ Angesprochen auf den konfessionellen Religionsunterricht an Österreichs Schulen meinte Ahmad: „Ich bin dagegen, weil dieser andere Religionen immer nur theoretisch erläutert und keine Begegnung mit anderen ermöglicht.“ Hubka sieht dies, obwohl sie als Kind darunter gelitten hatte, beim Religionsunterricht aus der Klasse geschickt zu werden, anders: „Uns allen mangelt es an religiöser Bildung. Darum brauchen wird den Religionsunterricht.“
Pfarrer Vordermayer versuchte schließlich Religion als den Versuch eine ethische Mindestnorm festzulegen zu erklären. „Man kann auch ein guter Mensch sein und ohne Religion leben, das kommt mir etwas zu kurz bei dieser Diskussion“, merkte eine Besucherin dazu kritisch an. „Das Problem vieler Religionen“, gab ein weiterer Zuhörer zu bedenken, „ist es, für politische Zwecke missbraucht zu werden.“ Ahmad stimmte zu und warnte vor einer Einbindung von religiösen Institutionen auf politischer Ebene: „Das ist kontraproduktiv weil es eine Grenze aufzieht, die diskriminiert und die Gläubige von Nicht-Gläubigen trennt“.
„Mein Problem mit Religion ist der Absolutheitsanspruch“, wurde anschließend aus dem Publikum kritisiert. „Wie kann man überhaupt anderen gegenüber tolerant sein, wenn man diesen Anspruch nicht aufgibt?“ Pfarrer Vordermayer dazu: „Jeder muss Toleranz zeigen und den anderen so lassen, wie er ist.“ Der Pfarrer betonte hierbei die guten und der Integration zuträglichen Beziehungen, die zu Vertretern der Traiskirchner Moschee bestehen würden. Die Moschee wird von der Islamischen Föderation, also von der Bewegung Milli Görüş, betrieben, die in Deutschland u. a. auf Grund ihrer antisemitischen Aussagen vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Für Widerspruch sorgte auch eine Meldung von Besucherinnen aus der Bahá’í -Gemeinde, dass ja „doch alle an den selben Gott glauben“ würden.
Moderator Schmidinger hielt schließlich fest, dass neben dem Betonen von Gemeinsamkeiten auch die Toleranz gegenüber Menschen, die nicht an den abrahamitischen Gott glauben würden, sondern polytheistische, pantheistische oder gar keine religiösen Vorstellungen hätten, entscheidend für eine tolerante Gesellschaft wäre.
Der letzte Abend der Traiskirchner Integrationsgespräche findet am 16. November 2011 im Festsaal der Stadtgemeinde Traiskirchen statt. Die AutorInnen Erich Hackl, David Jarju, Martin Just und Eva Schuster werden an diesem Abend aus ihren Werken lesen bzw. spielen. Beginn ist 18.30 Uhr.
Alle weiteren Informationen finden Sie unter: www.zusammenreden.net/traiskirchen.