Spannende Diskussion und hitzige Debatte beim dritten Themenabend von „ZusammenReden“ in Ebreichsdorf
Das Thema Religion hat sich in den letzten Jahren zu einer Art Dreh- und Angelpunkt in vielen Migrations- und Integrationsdebatten entwickelt. Insbesondere die Rolle des Islam wurde zu einem zentralen Unterscheidungsmerkmal zwischen dem „Wir“ und den „Anderen“ hochstilisiert.
Rund 60 Besucherinnen und Besucher verfolgten am 17. Oktober gespannt den dritten von vier Themenabenden der Ebreichsdorfer Integrationsgespräche, die von der Caritas Wien (Asyl & Integration NÖ) gemeinsam mit der Gemeinde Ebreichsdorf organisiert und vom Land NÖ, dem BM für Inneres und dem Europäischen Integrationsfonds gefördert werden. Im Rathaussaal in Ebreichsdorf diskutierte Enver Cevik (Integrationsbeauftragter der Gemeinde Ebreichsdorf) gemeinsam mit Anna-Maria Bauer (Pfarrgemeinderat Ebreichsdorf), Soma Ahmad (Forum Emanzipatorischer Islam), Babak Sobhian (Bahá’í – Religionsgemeinde) und Mehmet Mercan (ATIB Felixdorf). Moderiert wurde der Abend von Thomas Schmidinger (Politikwissenschafter Universität Wien).
„Spielt Religion tatsächlich eine Rolle für die Integration von MigrantInnen?“, wollte Schmidinger zu Beginn des Abends wissen. „Ich glaube, Religionen können einen wichtigen Beitrag für ein friedliches Zusammenleben von Menschen leisten“, meinte Enver Cevik. Dem konnte Ahmad nur bedingt zustimmen: „Integration hat nicht primär mit Religion, sondern vor allem mit sozioökonomischen Fragestellungen zu tun. Religion wird zu einem Thema gemacht, um diese Fragestellungen zu überdecken.“ „Integration hat mehrere Schienen“, war sich Mercan sicher. „Man muss den Kontakt zu den Menschen herstellen. Das kann auch über die Religion passieren.“ „Wie sieht es mit dem Vorurteil aus, dass der Islam keine Trennung von Staat und Religion kenne?“, hakte Schmidinger nach. „Die Vermischung von Religion und Politik ist fatal“, zeigte sich Ahmad überzeugt. „Religionen, egal welche, dürfen nicht in Staatsangelegenheiten involviert werden.“
Stadtrat Markus Gubik (FPÖ), kam in der anschließenden Diskussion auf das Buch „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin zu sprechen. „Wie kann es sein, dass in Deutschland 80% der Vietnamesen studieren, aber kaum Türken?“ „Weil diese türkischstämmigen Menschen aus der Arbeiterschicht kommen und als ArbeitsmigrantInnen angeworben und ins Land eingeladen wurden“, gab ein Besucher (Islamischer Religionslehrer) zurück. Ahmad ergänzte: „Dieses Buch ist inhaltlich und wissenschaftlich äußerst fragwürdig.“
Aus dem Publikum kam auch die Forderung nach einem selbstkritischen Umgang mit den Fehlern und Fehlentwicklungen der jeweils eigenen Gruppe oder Religionsgemeinschaft, so auch jene der katholischen Kirche. Ohne einer Aufarbeitung der Vergangenheit könne auch kein neues Miteinander entstehen. Schmidinger versuchte zum Abschluss der Diskussionen die Problematik auf den Punkt zu bringen. „Lösungen zu finden, ist sicher zu viel erwartet. Ziel muss es sein, friedlich über Differenzen streiten zu können. Dafür sind Veranstaltungen wie diese bestens geeignet. Was wir brauchen, sind Formen, um diese Konflikte friedlich auszutragen.“
Der letzte Abend der Ebreichsdorfer Integrationsgespräche findet am 24. Oktober 2011 im Rathaussaal in Ebreichsdorf statt. Die Autorinnen Kιymet Aslan und Negar Roubani werden Gedichte und Kurzgeschichten auf Kurdisch, Persisch und Deutsch vortragen.Die kurdische Sängerin Sakina wird den Abend musikalisch begleiten. Beginn ist 18.30 Uhr.
Alle weiteren Informationen finden Sie unter: www.zusammenreden.net/ebreichsdorf