Religionen müssen tolerant, offen und kommunikativ sein!

Spannende Debatte beim zweiten Themenabend von „ZusammenReden“ in Tulln

Das Thema Religion entwickelte sich in den letzten Jahren zu einer höchst umstrittenen Frage in Migrations- und Integrationsdebatten. Rund 40 BesucherInnen verfolgten am 17. Mai den zweiten von vier Themenabenden der Tullner Integrationsgespräche, die von der Caritas der Erzdiözese Wien (Asyl & Integration NÖ) gemeinsam mit der Gemeinde Tulln organisiert und vom Land NÖ, dem Bundesministerium für Inneres und dem Europäischen Integrationsfonds gefördert werden. Im Minoritensaal des Rathauses diskutierte Politikwissenschaftlerin Dunja Larise gemeinsam mit Ersan Palaz (Türkisch-Islamische Kultusgemeinde ATIB), Nikolaus Vidovic, Pfarrer von St. Stephan Tulln und dem Betriebsseelsorger Sepp Gruber über die Frage „Ist Religion überhaupt eine Frage für die Integration?“. Moderiert wurde der Abend von Wolfgang Machreich (Autor und langjähriger Redakteur der Furche).

„Welche Rolle spielt Religion für die Integration?“. Mit dieser Frage eröffnete Wolfgang Machreich den spannenden Diskussionsabend. Politikwissenschaftlerin Larise war überzeugt: „In unserer Gesellschaft wird Integration mit kultureller Integration gleichgesetzt. Viel wichtiger sind aber wirtschaftliche und politische Aspekte.“ In diesem Sinne würde Religion eher eine marginale Rolle spielen. Dem widersprach Pfarrer Vidovic mit Nachdruck: „Religionen sind der Türöffner in eine Gesellschaft. Sie bieten Antworten auf die fundamentalen Fragen des Lebens und vermitteln das Gefühl, zu Hause zu sein.“ Zur Frage der „Kopftuchdebatte“ meinte er: „Das Kopftuch ist ein religiöses Zeichen. Und es ist ein Grundrecht aller Menschen, diese Zeichen nach außen zu tragen.“ Nachsatz: „Solche Zeichen dürften niemals für politische Zwecke missbraucht werden.“ Für Palaz stellte die Neugier den Schlüssel zu einem gelungenen Miteinander dar. „Unwissenheit ist ein großes Problem. Die Menschen sollten viel neugieriger aufeinander sein. Sich für den anderen interessieren und besser miteinander kommunizieren.“ Dem schloss sich auch Betriebsseelsorger Gruber an. „Gegenseitiger Respekt muss immer an erster Stelle stehen!“

Bei der anschließenden Diskussion merkte man schnell, dass das Thema Religion vielen am Herzen liegt. „Bei meiner Integration hat Religion keine Frage gespielt“, meinte zum Beispiel eine bosnischstämmige Frau. „Im Gegenteil. Ich bin Muslimin und hatte eher das Gefühl, dass meine Religion ein Hindernis darstellt.“ „Hier ist Toleranz gefragt“, gab eine andere Besucherin zurück. „Religion kann durchaus etwas Verbindendes sein. Allerdings auch sehr leicht etwas Trennendes.“ Ein Zuhörer forderte diese Toleranz auch für Atheisten ein. „Dies fehlt mir in unseren Diskussionen viel zu oft.“ Larise stimmte ihm zu: „Intoleranz gibt es in alle Richtungen, und sie ist immer zu verurteilen.“ Vizebürgermeisterin Susanne Schimek beklagte daraufhin den fehlenden Kontakt zu VertreterInnen der islamischen Glaubensgemeinschaft in ihrer Gemeinde. „Das spielt sich in Tulln alles im Untergrund ab. Wir haben kaum Chancen, mit den Leuten in Kontakt zu kommen.“ Palaz dazu: „Genau das ist die Gefahr. Man muss der Religion ein Gesicht geben – sie zur Schau stellen und den Menschen die Möglichkeit bieten, sich mit ihr auseinanderzusetzen.“ Dies würde Ängste abbauen und helfen, populistischen Meinungsmachern die Grundlage zu entziehen. Hofrat Hanspeter Beier brachte zum Schluss das Schlagwort „Weltethos“ in die Diskussion ein, wie es vom Theologen Hans Küng skizziert worden ist. Hier würde das friedliche Zusammenleben von Menschen auf Basis elementarer ethischer Wert- und Moralvorstellungen ins Zentrum des Miteinanders gestellt werden. „Wäre dies nicht ein gutes Werkzeug, um ein besseres Zusammenleben von Menschen und Religionen zu erreichen?“ Seelsorger Gruber konnte dem nur zustimmen: „Eine schöne Wunschvorstellung, die aber noch lange brauchen wird.“

Vorankündigung: „Integration durch Bildung“

Vedran Džihić, bosnisch österreichischer Politikwissenschaftler
Montserrat Arias-Casellas, Lehrerin, HLW Tulln, Barcelona/Madrid/Tulln
Simon Burtscher, Integrationsexperte
Moderation: Thomas Schmidinger, Politikwissenschaftler 

WANN: Dienstag, 18. Oktober 2011, 19 Uhr
WO: Minoritensaal des Rathauses

Alle weiteren Termine unter: www.zusammenreden.net/tulln