Kathpress: Wenn "Brunnhilde" die Tanzfläche rockt

Eine Reise durch "Frauenhäuser" in Wien aus Anlass des 100. Weltfrauentages am 8. März - "Kathpress"-Reportage von Silvia Schober

Wien, 05.03.11 (KAP) Weiblichkeit rockt: Im neu gegründeten Kollektiv "Brunnhilde" des "KunstSozialRaum Brunnenpassage" in Wien-Ottakring haben sich zwölf junge "DJns" - weibliche Diskjokeys - unterschiedlichster Herkünfte zusammengeschlossen und geben auf Festen und Veranstaltungen den musikalischen Ton an. In einem Workshop nur für Mädchen haben die jungen Frauen das Handwerk des Auflegens in der "Brunnenpassage" gelernt. Elif alias "DJn Annatolia" steht hinter dem Mischpult, dreht an Knöpfen und Schrauben und fällt besonders mit ihrem knall-pinken Kopfhörer über ihrem schwarzen Kopftuch auf. "Es ist immer wieder lustig, z.B. Techniker staunen zu sehen, wenn man sich mit der Materie kennt. Von einer Frau erwartet man das nicht und von einer muslimischen Frau schon gar nicht", schmunzelt die 27-Jährige. Mit Blick auf den 100. Internationalen Frauentag, der am 8. März begangen wird und nach wie vor die Rechte von Frauen einfordert, eine bemerkenswerte Sache.

Neben Elif und ihrem pinken Blickfänger steht die 23-jährige Petra mit frecher Rothaarfrisur und kroatischem Hintergrund, die als "DJne Countessa" das Publikum in Bewegung bringt. "Ich liebe es, wenn Petra eine kroatische Schnulze auflegt", erzählt die 19-jährige Theda, ebenfalls Djne, und die ursprünglichste Österreicherin in der Runde. "Im Kollektiv sind Mädchen der verschiedensten Kulturen und Länder eine kleine Familie geworden", sagt Elif.

Seinen Anfang nahm die gut gebuchte "Brunnhilde" 2009 in einem Schnupperworkshop in der "Brunnenpassage", "im Vorjahr sind wir dann richtig gestartet", berichtet Anne Wiederhold, die Leiterin des "KunstSozialRaums". Unter professioneller weiblicher Anleitung wie der in der Szene bekannten "Sweet Susi" beschäftigten sich die jungen Frauen aus z.B. Kroatien, Portugal, Türkei, Polen und dem Libanon mit Sound, Songs und der entsprechenden Technik. "Es ging aber auch um die Frage, was heißt es, wenn ich als Frau auflege? Wie verhandle ich Gagen, wie gehe ich mit Anmachen um?", erklärte
Wiederhold. Und ganz generell habe sich die Frage gestellt, wie Frau in der männerdominierten Szene soweit kommt, um - wie etwa Vorbild "Sweet Susi" - in Weltmetropolen musikalisch den Ton anzugeben. Das Selbstbewusstsein der Mädchen hinter dem Plattenpult steigt jedenfalls durch die Ausbildung und den freundschaftlichen Umgang miteinander - und leidet sicherlich nicht darunter, wenn Frau hin und wieder auch männliche Techniker in die Schranken weist.

Der weibliche Sandler?

Das weibliche Selbstbewusstsein ist aber auch zum 100. Internationalen Frauentag noch nicht in allen Bereichen genügend präsent, Nachteile für Frauen gibt es nach wie vor in gerschiedensten gesellschaftlichen Feldern - und Abhängigkeiten von Frauen sind nach wie vor stärker ausgeprägt als die von Männern. Einen besonderen Bereich in diesem Zusammenhang bildet z.B. die Obdachlosigkeit: Während obdachlose Männer mit dem Bild des auf der Parkbank schlafenden "Sandlers" in den Köpfen der Menschen verbunden ist, gibt es zu obdachlosen Frauen zumeist keine Vorstellungen. Wer keine Bilder im Kopf hat, sieht oft auch keine Alternativen, weiß man bei der Caritas. Das stellt Frauen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, unter Druck: Oft verbleiben die Betroffenen in für sie unguten Beziehungen zu Männern oder gehen Zweckgemeinschaften ein, um nicht auf der Straße zu landen, berichtet Elvira Loibl, die Leiterin des "FrauenWohnZentrums" der Caritas in Wien-Leopoldstadt.

Das Zentrum ist Zufluchtsort für obdachlose Frauen ab 18 Jahren und besteht aus drei Teilen: einem Wohnbereich mit 32 Einzelwohnplätzen, in dem die Betroffenen bis zu zwei Jahren ein neues Zuhause finden, einem Notbereich mit drei Notbetten, sowie einem Tageszentrum, dem "FrauenWohnZimmer". Letzteres steht auch Nicht-Bewohnerinnen offen: Hier können sie duschen, ihre Wäsche waschen, bekommen etwas zu essen. "Es ist auch ein Ort der Kommunikation", erklärt Loibl. Zwischen 35 und 40 Frauen kommen im Durchschnitt pro Tag hierher, generell finden sich im Zentrum Betroffene mit Suchterkrankungen und psychischen Auffälligkeiten.

"Ganz allgemein nimmt die Anzahl junger Menschen in Obdachlosigkeit zu", meint die Leiterin, die seit 25 Jahren in der Obdachlosenhilfe tätig ist. Oft kommen Mädchen gleich mit Erreichen der Volljährigkeit ins Zentrum: "Die Jugendlichen haben nach außen hin eine turbulente Erlebniswelt hinter sich, aber innerlich haben sie die Pubertät noch gar nicht überwunden", sagt Loibl. Aber auch ältere Frauen trifft Obdachlosigkeit, auch 80-Jährige und ältere Menschen finden sich im Zentrum. "In erster Linie geht es darum, für die Frauen Stabilität zu schaffen, eine Beziehung aufzubauen, damit sie an sich selbst wachsen können."

Auch obdachlose Frauen mit Haustieren werden in dieser Caritas-Einrichtung nicht automatisch abgewiesen: Marie und ihre zwei Katzen wohnen seit fast zwei Jahren hier. "Der eigentliche Traum wäre eine größere Wohnung gewesen, um mehr Platz für meine Handarbeiten zu haben", meint die beinahe 49-Jährige. Daraus sei nichts geworden, plötzlich sei die Arbeitslosigkeit - und damit auch sie - vor der Türe gestanden. "Bis man das realisiert, dass man jetzt obdachlos ist", erinnert sich Marie zurück. "Obdachlosigkeit setzt man ja mit Sandler gleich. Ich hab nur gedacht: Nein."

Auch sie hat keine Vorstellung davon, wie man als Frau als Obdachlose lebt und kriegt durch Zufall einen Folder vom "FrauenWohnZentrum" in die Hand: "Ich war sehr froh. Es ist gut, dass man hier Hilfe dann bekommt, wenn man sie braucht und will" und nicht mit Unterstützungsangeboten überhäuft und überfordert werde, berichtet Marie. Dann wartet sie mit einer Überraschung auf: "Jetzt freue ich mich schon auf meine 33 Quadratmeter-Wohnung." Denn geht
alles gut, wird sie noch ihrem Geburtstag im März bereits nicht mehr im Zentrum, sondern in ihrer eigenen Wohnung feiern können. Einige Freundschaften, die im Zentrum entstanden sind, will sie dabei sozusagen mitnehmen. Mit Unterstützung des 14-köpfigen Teams, das rund um die Uhr für die Betroffenen da ist, hat sie noch weiteres geschafft: Ein Bewerbungsgespräch mit guten Aussichten steht an.

Männerfreie Zone

Freundinnen gefunden hat auch die zwölfjährige Pamela aus Kurdistan, allerdings nicht im "FrauenWohnZentrum", sondern im interkulturellen Mädchenzentrum der Caritas, dem "*peppa". Die Einrichtung steht zehn- bis 20-jährigen Mädchen offen, das Publikum spiegelt den von Zuwanderung geprägten Standortbezirk Ottakring wider. "30 bis 40 Mädchen kommen im Schnitt pro Tag zu uns", berichtet Leiterin Gudrun Rothschedl. Viele kommen aus der Türkei, dem arabischen Raum, Ex-Jugoslawien, einige auch aus Afrika und Afghanistan. Das Mitarbeiterteam im "*peppa" ist demnach auch elfsprachig.

Die jungen Frauen finden in "*peppa" einen Raum nur für sich: "Buben dürfen nicht herein, auch wenn der Fußballtisch in unserem Eingangsbereich von außen oft sehr verlockend aussieht", schmunzelt Rothschedl. Das Bubenverbot ist sehr wichtig für die Mädchen, die oft nur über sehr eingeschränkten sozialen Kontakt verfügen und mitunter nur zwischen Schule und Familie hin- und herpendeln. Zumeist dürfen sie im "*peppa" deshalb eine Zwischenstation einlegen, weil es männerfreie Zone ist und weil es in den bunten, freundlichen Räumlichkeiten neben einem Mittagessen oder einer Jause auch Nachhilfe gibt.

Die Mädchen lernen im Kontakt miteinander auch Deutsch; der Umgang sei generell sehr offen und konfliktfrei: "Die Mädchen bemühen sich umeinander, um Mädchen, die neu dazugekommen sind, allein sind oder auch noch nicht gut Deutsch sprechen", berichtet Rothschedl. Einige brächten auch ihre kleineren Geschwister mit: "Viele der Mädchen könnten sonst ja gar nicht zu uns kommen, weil sie auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen müssen."

Im "*peppa" wird aber nicht nur gelernt: "Ich komme nach der Schule her und kann im Internet surfen", sagt Pamela und kann kaum die Finger von der Computertastatur lassen. Daneben gibt es verschiedene Workshops wie Tanz und Theater: "Wir wollen den Mädchen Selbstbewusstsein vermitteln", erklärt Rothschedl. Weiters stehen eine Bibliothek und Spiele bereit, verschiedene Ausflüge werden organisiert und es wird gemeinsam gekocht - vegetarisch, erklärt die Leiterin mit einem Augenzwinkern, "auch wenn die Mädchen am liebsten nur Pizza und Pasta und Pommes kochen würden". Auch alle Feste quer durch die Kulturen werden miteinander gefeiert.

Die positive Seite der Männer

Eine nicht ganz männerfreie Zone herrscht im "Haus Luise", dem Mutter-Kind-Haus der Caritas im 15. Wiener Gemeindebezirk, vor. Die Gründe, warum Frauen samt ihren Sprösslingen hier Unterschlupf suchen, sind verschieden - oft aber stecken Gewalterfahrungen dahinter, das Ende einer Beziehung oder der Rausschmiss durch den (Ex-)Partner. Trotzdem verstärken zwei männliche Sozialarbeiter das Team und arbeiten - in Abstimmung mit den Betroffenen - mit den Frauen, um ihnen auch wieder ein positives Männerbild nahe zu bringen, erklärt die stellvertretende Leiterin Claudia Ferner-Eder.

Im Haus selbst wird gerade noch geschraubt und gesägt, gehämmert und gebohrt, um für Mütter und Kinder noch mehr Platz zu schaffen: Nach dem Umbau soll das Haus noch im Frühjahr15 Wohnungen für obdachlose Mütter und ihren Nachwuchs bieten und insgesamt 60 Personen aufnehmen können. Bis zu zwei Jahre können die Betroffenen hier leben; im Notquartier haben Mütter und ihre Kinder bis zu sechs Wochen Zeit, zur Ruhe zu kommen. Generelles Ziel sei die Reintegration der Frauen, so die stellvertretende Leiterin.