Am 23. Juni 2010 präsentierte das Team von Missing Link der Flüchtlingsbetreuung und Integrationsarbeit NÖ (Caritas der Erzdiözese Wien) im Korneuburger Rathaus die Erhebung „Von Bijeljina nach Eibesthal – Eine Studie zur Situation der Roma in niederösterreichischen Weinviertel.“ Für die Studie interviewten die Autoren Ines Kälin Schreiblehner und Herwig Schinnerl insgesamt 14 Roma im Alter von 19 bis 67 Jahren, die im Weinviertel wohnen und alle aus der Gegend um Bijeljina in Bosnien kommen. Der Grund weshalb die Befragten Bosnien verlassen haben, ist bei fast allen der Kriegsbeginn im Jahr 1992. Das Gros der Roma verbrachte nach ihrer Flucht zuerst einige Jahre in Deutschland, wo sie zuerst „geduldet“ wurden und nachdem der Krieg offiziell zu Ende war, nach Bosnien zurückkehren mussten. Da sich die Situation und das Zusammenleben der ethnischen Gruppen dort meist schlimmer als vor dem Krieg herausstellte, suchten die Roma in Österreich Zuflucht. Ein 28jähriger Rom dazu: „Meine Eltern wurden umgebracht. Der Krieg ist nur offiziell vorbei. In Wirklichkeit geht er weiter!“
Einige der Studien-Erkenntnisse überraschen und wirken gängigen Vorurteilen gegenüber Roma entgegen, etwa hinsichtlich der Einstellung gegenüber Arbeit und Bildung: „Das Leben ist interessanter mit Arbeit“, antwortete eine Romni auf die Frage nach der Bedeutung von Erwerbsarbeit. Man sei geboren zum Arbeiten, um für sein Leben aufzukommen. Dennoch zeigt sich die Arbeits- und auch die Bildungssituation der meisten Befragten äußerst prekär. Es handelt sich dabei um einen regelrechten Teufelskreis, aus dem es schwierig ist, auszubrechen.
„Um diese Zyklen der Armutsvererbung zu durchbrechen, sind in erster Linie gezielte Fördermaßnahmen in den Bereichen Bildung und Arbeitsmarktintegration erforderlich. Besonders wichtig wäre dabei eine regelmäßige Lernbetreuung, um die Roma-Kinder in schulischen Belangen zu unterstützen und die Eltern zu entlasten“, betonen Ines Kälin Schreiblehner und Herwig Schinnerl. Was außerdem viele der befragten Roma verbindet, ist der fehlende Aufenthaltstitel und die Frage, ob sie in Österreich bleiben dürfen. Viele sind seit Jahren im Asylverfahren, diese Ungewissheit gepaart mit einem faktischen Arbeitsverbot während des Asylverfahrens wirkt eindeutig integrationshemmend. Mit der Mehrheitsbevölkerung würden sich jedenfalls viele Roma mehr Kontakt wünschen: „Die Kinder spielen zusammen, mehr jedoch nicht. Es wäre schön, auf dem Spielplatz mit anderen Frauen zu reden“, erklärt eine 21jährige Romni.
Die Korneuburger Vizebürgermeisterin Helene Fuchs-Moser und Hofrat Hanspeter Beier von der Niederösterreichischen Landesregierung betonten in ihren Begrüßungsworten die enorme Bedeutung der aktuellen Romastudie und ähnlicher Projekte, denn nur durch umfassende Information der Lebenssituation bestimmte benachteiligter Bevölkerungsgruppen ist es möglich, adäquate Unterstützung anzubieten. Mary Kreutzer, Leiterin des Caritas-Projektes Missing Link, hob die Rolle der Sponsoren hervor, ohne deren finanzielle Unterstützung dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre: das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, das Land NÖ und die Grüne Bildungswerkstatt Minderheiten.
Die Studie bildet die Basis für weitere Projekte für Roma im Weinviertel und die ersten weiterführenden Projekte seien laut den Studienautoren bereits eingereicht. Damit soll eine nachhaltige Verwertung, der in der Erhebung gewonnenen Erkenntnisse gewährleistet werden.
Die Studie „Von Bijeljina nach Eibesthal – Eine Studie zur Situation der Roma in niederösterreichischen Weinviertel“ ist in Buchform beim Verlag AVM erschienen und ab heute im Buchhandel erhältlich.