Der erste von insgesamt fünf Diskussionsabenden der Badener Integrationsgespräche „ZusammenReden“ fand am 27. Jänner unter reger Beteiligung des Publikums und vor allem der Badener Jugend statt. Organisiert von der Caritas Wien in NÖ, dem Integrationsbeauftragten der Stadt Baden Ferdinand Türtscher und dem Verein Menschen.Leben wird bis Juni 2010 monatlich über Themen debattiert, die die BewohnerInnen der Region interessieren und bewegen.
Mario David ist Leiter der Mobilen Jugendarbeit in Baden. Eindrucksvoll erzählte er von seinen Erfahrungen aus der Praxis mit Jugendlichen, wo sich eindeutig geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen ließen. Die männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund kämen mit denselben Sorgen und Problemen zu ihnen wie jene ohne Migrationshintergrund. Bei den weiblichen Jugendlichen allerdings wies er auf die Problematik der Kontaktaufnahme hin: Es sei viel schwieriger, die Mädchen zu erreichen. Insbesondere wenn das Angebot an beide Geschlechter gerichtet ist, hätten es junge Frauen schwer, den Raum für sich zu erobern. Dies bestätigte auch Anna Prost von Peppa, dem Interkulturellen Mädchenzentrum der Caritas in Wien: Es bedürfe vieler Anstrengungen, an die Mädchen heranzukommen, aber wenn einmal der Kontakt hergestellt ist, würden auch die sonst oft skeptischen Väter und Brüder das Angebot unterstützen. Der Soziologe und Integrationsexperte Kenan Güngör nahm zum Thema Gewalt unter Jugendlichen Stellung. Die Zahlen zeigen zwar eindeutig, so Güngör, dass männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund öfter straffällig würden als andere. Betrachte man diese Zahlen aber je nach sozialer Schicht, würde man schnell feststellen, dass das Phänomen eher vom Milieu als von der Herkunft abhängt. Mario David wies weiters darauf hin, dass die steigenden Kriminalitätsraten an der höheren Bereitschaft zur Anzeige liege. Zudem würden Traumatisierungen, vor allem von Jugendlichen aus Kriegsgebieten, die Gewaltbereitschaft stark beeinflussen.
Die Moderatorin Tülay Tuncel von der Wiener Integrationskonferenz brachte das lebhafte Gespräch schließlich auf die so genannten „Bindestrich-Identitäten“: Menschen, die sich zu mehreren Orten zugehörig fühlen, beispielsweise als Deutsch-Türken oder „kroatisch-verwurzelter-Österreicher“, wie sich Mario David bezeichnete. Dies würde bei „seinen“ Jugendlichen oft Gelächter hervorrufen, da er sich trotz seiner kroatischen Eltern-Sprache nicht ausschließlich als Kroate bezeichnen wolle. Kenan Güngör meinte dazu, diese „Bindestrich-Identitäten“ gäbe es in Österreich genauso wie in Deutschland, aber bei uns fehle es noch an der gesellschaftlichen Anerkennung dieser Tatsache. Anna Prost betonte, dass nicht die Herkunft einer Person, sondern alles, was ein Individuum ausmacht, in den Mittelpunkt gestellt werden sollte. Einig waren sich alle ReferentInnen, dass es keinen Sinn mache, ausschließlich auf „die Kultur“, „die Herkunft“, „die Ethnie“, zu fokussieren. Wichtig sei es hingegen die Bemühungen um Demokratie, Menschenrechte, gleiche Rechte und Pflichten sowie um die Autonomie des Individuums in den Mittelpunkt zu stellen.
Das Publikum diskutierte engagiert mit und forderte schließlich die zahlreich anwesenden Jugendlichen auf sich zu äußern. Diese ließen sich nicht lange bitten. So meinte u.a. Ali aus Baden, dass alle letztendlich Menschen seien, egal aus welchem Land sie kommen. Er würde zwar schon manchmal mit fremdenfeindlichen Einstellungen bis hin zu Anfeindungen konfrontiert, aber „das lasse ich gar nicht an mich heran.“
Die gesamte Veranstaltung zum Nachhören sowie alle weiteren Termine und Infos finden Sie unter www.zusammenreden.net/baden.
Das nächste Gespräch findet am 10. Februar im Zentrum für Interkulturelle Begegnung in der Grabengasse 14, in Baden, statt. Die Club2-Moderatorin Corinna Milborn wird dann mit Ewa Dziedzic (Herausgeberin der ersten Zeitschrift für homosexuelle MigrantInnen, MiGAY) und mit Olivera Nikolic von der Badener Frauenberatungsstelle Undine unter der Moderation von Thomas Schmidinger ab 19 Uhr zum Thema Geschlechterverhältnisse und Integration diskutieren.