Nach über 100 Jahren sozialen Engagements muss die Servicestelle der Caritas am Wiener Südbahnhof mit 2. Dezember 2009 ihren Betrieb beenden. „Der Bau des neuen Hauptbahnhofs erfordert einen Abriss der alten Räumlichkeiten, auch für das soziale Engagement am Südbahnhof fährt heute der letzte Zug ab. Doch die Menschen in Not am Bahnhof werden weiterhin Hilfe und Unterstützung brauchen – egal ob am Bahnhof Meidling oder am neuen Hauptbahnhof, denn Bahnhöfe sind weltweit soziale Brennpunkte“, betont Caritasdirektor Michael Landau.
Der Abschied der Caritas wird jedoch nur auf Zeit sein, denn die Gespräche für eine Caritaseinrichtung am Hauptbahnhof verlaufen positiv. Landau zeigte sich erfreut über die gute Zusammenarbeit mit der Stadt Wien, der ÖBB und der Polizei. Die Vorbereitungen für eine neue soziale Einrichtung am künftigen Hauptbahnhof laufen auf Hochtouren. „Ein neuer Hauptbahnhof mit supermoderner Architektur wird strahlen und glänzen, und das ist für alle Reisenden ein Gewinn. Er darf uns aber nicht blenden und niemand darf die Augen vor den anstehenden sozialen Aufgaben verschließen. Die Weichen für das soziale Angebot am Hauptbahnhof müssen jetzt richtig gestellt werden, damit der soziale Fahrplan eingehalten wird!“, so Landau. Die Caritas fordert daher konkret neben einem mobilen Streetwork- Angebot direkt am neuen Hauptbahnhof, ein Tagesbetreuungszentrum für Menschen in Not. Am Bahnhof Meidling wäre ein Gesamtkonzept als Übergangslösung für die hilfesuchenden Menschen. „Hier sollte dringend alles auf Schiene gebracht werden. Das mobile Streetwork-Angebot SAM und der in Meidling Halt machende Suppenbus der Caritas sind wichtige Angebote, aber sie werden nicht alles auffangen können – es braucht auch bei einem Provisorium ein Gesamtkonzept und dieses fehlt, zumindest derzeit noch“, so Landau.
Soziale Einrichtungen auf Bahnhöfen haben eine lange Tradition, die aus Sicht der Caritas beibehalten werden muss. In Wien wurden im Jahr 1905 die ersten Bahnhofsmissionen gegründet. Sie waren Anlaufstelle für junge Frauen vom Land, die in der Großstadt Arbeit suchten. Nach dem zweiten Weltkrieg waren die Bahnhöfe Zentren der Flüchtlingsbetreuung und Familienzusammenführung. Das Angebot umfasste Notunterkünfte, Ausspeisungen und medizinische Grundversorgung. Die Arbeit verlagerte sich von der Betreuung Reisender auf die Versorgung von Menschen in sozialen Notsituationen. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts startete der Bahnhofsozialdienst mit diplomierten SozialarbeiterInnen mit professioneller Beratung und Versorgung. Seit rund 15 Jahren wurde die Caritas Servicestelle am Wiener Südbahnhof von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt. Neben anderen, Caritas-Angeboten wie dem P7-Wiener Service für Wohnungslose als Wohnungslosendrehscheibe in Nachfolge des Bahnhof Sozialdienstes, dem dafür neu errichteten a_way, der Jugendnotschlafstelle am Westbahnhof und dem Betreuungszentrum Gruft, bot die Servicestelle Südbahnhof eine verlässliche und kontinuierliche Hilfe für Menschen in Not. Von Montag bis Samstag kamen bis zuletzt Gäste – wohnungslose Menschen aus Österreich, aber auch entwurzelte Menschen aus anderen Ländern – für ein warmes Essen, Gesprächsgelegenheit, Informationen über weiterführende Unterstützung und physische und vor allem seelische und emotionale Zuwendung.