Geschäftsführender Direktor Klaus Schwertner

Caritas zu Corona-Armutsbericht: „Wir brauchen jetzt wirksame Rezepte gegen Kinderarmut und Rekordarbeitslosigkeit!“

In einer ersten Stellungnahme begrüßt Klaus Schwertner, Geschäftsführender Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, dass die Bundesregierung mit einer heute präsentierten Teilstudie zum Thema „Corona und Armut“ die sozialen Folgen der Pandemie in den Blick nimmt: „Wir brauchen nicht nur Dashboards, die das aktuelle Infektionsgeschehen abbilden. Wir brauchen auch mehr Klarheit, welche wirtschaftlichen und sozialen Folgen mit der Corona-Krise einhergehen. Wir sehen in unserer täglichen Arbeit: Je länger die Krise andauert, umso stärker steigt der Druck auf viele Menschen in unserem Land. Wir begegnen sehr vielen Menschen, die niemals gedacht hätten, dass sie dringend Hilfe von der Caritas brauchen. Wir hoffen deshalb sehr, dass die aktuell präsentierten Studienergebnisse nicht folgenlos bleiben. Wir brauchen wirksame Rezepte gegen Rekordarbeitslosigkeit und Kinderarmut. Eine soziale Krise muss unter allen Umständen verhindert werden.“

Anfragen von Hilfesuchenden steigen stark: Caritas in Sorge bei Familien mit Kindern und Selbstständigen

Zahlreiche Ergebnisse der Studie würden auch mit den Wahrnehmungen der Caritas in Wien und NÖ übereinstimmen, so Schwertner. „Es gibt in unseren drei Sozialberatungsstellen nach wie vor sehr viele Menschen, die das erste Mal um Hilfe ansuchen. In Wien sind es aktuell um 15 Prozent mehr Erstkontakte verglichen mit dem Vorjahr. In Teilen Niederösterreichs ist diese Zahl mit einer Zunahme um 41 Prozent noch einmal deutlich höher. Da wie dort ist die Zahl der Hilfsanfragen gestiegen. Mehr noch: In Wien sind es mehr Anfragen als wir aktuell bearbeiten können.“ Besonders bedenklich: Es sind vor allem viele Selbstständige, Alleinerziehende und Familien mit Kindern, die Hilfe brauchen. Schwertner: „Gerade, wenn es um Kinderarmut, die Not von KleinstunternehmerInnen und um die Bekämpfung der Rekordarbeitslosigkeit geht, sehen wir aktuell großen Handlungsbedarf.“

Kinderarmut bekämpfen + Sozialhilfe reformieren + Arbeitslosengeld erhöhen 

Zwar hätten zahlreiche Krisenmaßnahmen der Regierung die Not vieler Betroffener zumindest teilweise gelindert, doch aus Sicht Schwertners müssten weitere Schritte folgen. „Dass die Bedarfsorientierte Mindestsicherung abgeschafft und durch die Sozialhilfe Neu nur ungenügend ersetzt wurde, erweist sich in der Krise als Fehler. Die Zahl der BezieherInnerInnen ist während der Krise gestiegen. Die größte BezieherInnengruppe waren schon zuvor Kinder und Jugendliche. Wir hoffen sehr, dass die Sozialhilfe Neu nun rasch armuts- und coronafest ausgestaltet wird. Gerade in der Krise müssten gestellte Anträge deutlich rascher bearbeitet haben, weil Betroffene oft monatelang ohne Einkommen dastehen. Und nach der Erhöhung der Ausgleichszulage sollten nun auch zuvor vorgenommene Kürzungen rückgängig gemacht werden“, so Schwertner weiter. „Der Alleinerzieherbonus ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, kann die Kürzungen aber nur bedingt abfangen.“ 

In ihren Sozialberatungsstellen stößt die Caritas auch auf Alleinerziehende und Familien, die von den verschiedenen Hilfsmaßnahmen der Regierung – etwa aus dem Familienhärtefonds – nur unzureichend oder gar nicht profitieren. „Viele Familien und Alleinerziehende warten bis heute auf die Unterstützung aus dem Familienhärtefonds – 25.000 Anträge wurden noch nicht bearbeitet. Selbstständige erhalten wiederum nur einen Teil der Leistung ausbezahlt. Und es ist aus unserer Sicht auch nicht nachvollziehbar, dass hier gerade auch die schwächsten Familien schlechtergestellt sind als andere. Hier braucht es Verbesserungen. Nur rasche Hilfe hilft wirksam!“ 

Rekordarbeitslosigkeit bekämpfen + Selbstständige nicht nur sich selbst überlassen 

Die Caritas fordert weiterhin eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes bei Beibehaltung der Notstandshilfe. Schwertner: „Auch Jugendliche sind besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Wir benötigen eine Beschäftigungsoffensive, die niemanden zurücklässt und eine deutliche Stärkung des AMS.“ Bei einer Reform der Sozialhilfe Neu könnten und müssten auch KleinstunternehmerInnen berücksichtigt werden. Schwertner: „Es sind viele Selbstständige, die jetzt berechtigte Existenzängste haben müssen. Es sollte aus unserer Sicht nicht so sein, dass Ein-Personen-UnternehmerInnen, um die Sozialhilfe beantragen zu können, ihre Gewerbeberechtigung ruhendstellen müssen. Hier könnten einfache Maßnahmen dabei helfen, Menschen rasch und konkret zu unterstützen.“